Recore (XBox One)
Vorneweg: Das folgende mag sich negativ anhören, aber im großen und ganzen ist Recore gutes Spiel und ich hatte viel Spaß. Aber es hätte etwas großartiges werden können, nur leider wurden hier so viele Chancen offensichtlich vertan, dass es weh tut. Irgendwie hat man das Gefühl, als sei man nicht bereit gewesen, entsprechend Geld/Zeit/Man-Power dafür reinzustecken. Die ersten 5 Stunden sind grandios, aber dann beginnt man sich zu fragen: "Ist das echt schon die ganze Welt, die ich auf der Karte sehe? Und jede Area sieht irgendwie gleich aus... ne, das ganze wird wohl eine Area sein, die nochmal unterteilt ist. Wäre sonst ja wirklich etwas dünn!" Am Ende ist das aber wirklich alles. Die Story kann man nach 10 Stunden durch haben. Danach gibt es noch weitere prismatische Kerne, die man sammeln kann, um in weitere Dungeons zu gelangen. Viele davon wiederholen sich im Grunde aber. Darüber hinaus kann man überall Truhen mit weiteren Ausrüstungsplänen für die Bots sammeln und diese bauen. Die meisten davon sind aber aufgrund der Masse ziemlich sinnlos. Am Ende versucht das Spiel, Spielzeit durch diese Sammelaktionen zu generieren, noch weiter erschwert durch erzwungene Speedruns. Wenn man alle Items eines Dungeons haben will, muss man den jeweiligen Dungeon in einer festgelegten Zeit schaffen und dabei alle Items auf dem Weg finden. Das Spiel versucht hier einfach, sich künstlich in die Länge zu ziehen. Abseits davon bietet die Welt wenig interessantes zu entdecken. In der Regel nur Sand, Felsen, Trümmer und gegnerische Bots. Die Trümmer sind dabei oft unförmig und nichtssagend, man hat nicht mal eine Idee, was vieles hätte sein können. Schade eigentlich.
Bei der vorgegaukelten Open World kommt man schnell an seine Grenzen. Theoretisch kann man irgendwie auf jeden Berg, wenn man ein wenig probiert. Das ist aber oft nicht vorgesehen. Zum Teil, weil man sonst zu früh an ein paar Items gelangt, hauptsächlich aber wohl, weil man sonst von oben die Grenzen der Welt und Hintergründe sehr deutlich sehen könnte. Deshalb haben die Entwickler völlig willkürlich Gebiete mit starker Strahlung versehen, in denen man nach kürzester Zeit drauf geht. Teilweise liegen kleinste Gebiete einfach irgendwo mitten Flächen ohne Strahlung und umgekehrt. Manchmal warnen Schilder davor, oft aber auch nicht und wenn man in so ein Gebiet unachtsam hinab springt, kann es auch mal vorkommen, dass man nicht mehr rechtzeitig rauskommt. Irgendwann hat man auch keine Lust mehr, jeden Berggipfel anzutesten, um an dessen Spitze auf ein Strahlungsgebiet zu stoßen. Oder noch besser: Auf dem Weg dahin. Obwohl man eigentlich auf den Gipfel muss und der auch strahlungsfrei, um einen Dungeon etc. zu erreichen, sind die Wege hinauf voll Strahlung. Bis auf den, den man nur mit einer Spezialfähigkeit nehmen kann. Und die soll man wohl gefälligst erst haben. Anscheinend hatten die Entwickler hier nicht die Zeit/Geduld, entsprechende Wege einfach nicht erklimmbar zu machen. Statt dessen wurden einfach überall Strahlungsfelder hingesetzt. Das wirkt so willkürlich wie lieblos.
Dann ist das Spiel nicht mal fertig. Ich hab die aktuell gepatchte Version gespielt, davor muss es wohl voller Bugs gehagelt haben. Aber selbst jetzt gibt es noch hier und da ein paar nervige Bugs. Die größte Frechheit ist aber der freie Slot bei den Bot-Types. Ich habe ewig Zeit verbracht, den letzten Bot zu finden, weil es auch zwei Gebiete gibt, bei denen man nicht weiter kommt und offensichtlich diesen braucht. Letztendlich habe ich im Internet nachgeschaut und: Es gibt den Bot nicht. Man vermutet, es kommt irgendwann ein entsprechender DLC oder Patch. Zur allgemeinen Erheiterung kann man aber wohl trotz Absperrung durch Strahlungsfelder auch so in eine der besagten Areas gelangen, wenn man ganz viel Zeit in Try & Error investiert. Da gibt es dann wohl noch einen Dungeon. Entweder hat man das Spiel hier absolut unfertig released und es kommt noch ein entsprechender Patch, was schon eine Frechheit wäre. Oder es kommt noch härter und es kommt ein kostenpflichtiger DLC mit einem neuen Bot, den man dann für eine Durchgangsroute und einen neuen Dungeon benutzen kann. Ich frag mich ernsthaft, was mich mehr enttäuschen würde.
Die eigentlich grandiose Story wird leider nur sehr oberflächlich und ohne Tiefe erzählt und durch Verschlüsselung weiter ausgedünnt. Ein ganzer Handlungsstrang ist nur in einem sinnlosen Audiogebrabbel vorhanden. Man kann sich dieses zwar auch als Schriftversion ansehen, aber das sind komplexe Runen. Eine Übersetzungsschablone liegt nur der Limited Edition bei, wenn man sich denn hinsetzen will und das übersetzen. Zum Glück stellen manche die Übersetzung ins Internet. Aber mal ehrlich: Was soll der Mist? Ach ja, noch mehr Zeit, die man sich mit dem Spiel beschäftigen kann und mit der die Entwickler aber nicht mehr Content bieten müssen. Wie sollte es auch anders sein, ist das Ende dann unbefriedigend und hinterlässt viele Fragen. Und lässt den Spieler mit einem Cliffhänger und einem uninspirierten Abspann mit ein paar Standbildern zurück, bei dem man sich fragt, was dieser Haufen an Leuten eigentlich die ganze Zeit an dem Spiel gemacht hat (Außer den guten Musikern ).
Ich würde diese Runen-Geschichte ja gerne unter Erkundungsmöglichkeit verbuchen. Die Wahrheit ist aber, dass das offenbar nicht die Richtung des Spiels ist. Denn die große Welt lädt kaum zum Erkunden ein. Ist man bei einem Xenoblade Chronicles X von der offenen Welt geflasht und gibt es so viele schöne Plätze und Wesen zu entdecken, hat man bei Recore nach 2 Stunden alles schon mal gesehen. Es bleibt dann pro Area nur ein besonderes Gebäude oder etwas in der Art. Selbst die Gegner sind immer wieder die gleichen, nur in anderen Farben. Hat mich bei Xenoblade schon manchmal gestört, dass öfter der gleiche Gegnertyp nur mit einem anderen Skin recycelt wurde, macht sich Recore nicht mal diese Mühe und bietet den gleichen Gegner in einer anderen Farbe.
Leider gibt es auch nicht viel zu interagieren. Neben alten Aufzeichnungen finden sich genau ein intelligenter Gegner, der aber nur generisches Gebrabbel ablässt und ein weiterer Mensch im ganzen Spiel. Der dann noch schnell wieder entfernt wird. Das ganze soll eine "Letzter Mensch"-Stimmung aufkommen lassen, scheitert aber an den übertrieben enthusiastischen Selbstgesprächen des Hauptcharakters und den permanent fröhlich rumzwitschernden Bots.
All das ist leider sehr präsent und überschattet ein sonst sehr gutes Spiel. Am Anfang von dem Spiel war mein Gedanke noch "Verdammt, dass hätte ein neues und großartiges Metroid werden können.". Das wich aber spätestens nach 10 Stunden einem "Gut, dass das kein Metroid-Nachfolger geworden ist.". Anleihen aus Metroid und Mega Man sind dabei aber überall zu finden, zum Teil im Design (Die Zellenbots könnten auch aus Mega Man sein), aber auch in Mechnismen und Gameplay.
Nach so viel Gemecker mal zu den positiven Seiten: Das Spiel macht einfach Laune. Ich habe es mit einem Elite-Controller gespielt und zwei Paddles für Springen und Boost drunter gehabt. Mit dieser Kombi gleite ich Butterweich durch die Welt und die Kombination aus Springen, Doppelsprung und Boosten lässt teilweise Parcours-Feeling aufkommen. Das ganze funktioniert auch bestens in Kämpfen zum ausweichen und geht locker von der Hand. Dazu noch ein (oder später mehrere) Bot(s), die im Kampf mithelfen und die man zumindest anweisen kann, eine bestimmte Aktion zu machen und das lockere Waffenfarben-Wechseln für bestimmte Gegner machen einfach Laune. Kämpfen macht auch nach Stunden immer noch enorm Spaß. Das System aus Kombos und Kerne extrahieren ist gut durchdacht und man muss schon beim Kämpfen überlegen, auf was man gerade gehen und welche Items man eher mitnehmen will. Die Grundidee der Story ist toll und am Anfang ist man einfach nur neugierig, was überhaupt los ist. Nachdem man grob durchgeblickt hat, wie die Ausgangssituation war, will man einfach nur wissen, wie alles so radikal schief gehen konnte. Die Musik ist gut, teilweise episch von der Londoner Philharmonie eingespielt. Dabei absolut abwechslungsreich und meistens absolut passend. Die Grafik ist gut und der "Alles ist vom Sand geschliffen und schon lange Kaputt oder Flickwerk"-Stil bringt eine Star Wars Tatooine Stimmung rüber, die durch Teile des Designs und der Musik noch verstärkt wird. Für mich ein plus, ich mag die Stimmung.
Alles in allem ein schönes Spiel, das man in 10 bis 15 Stunden durchspielen durchspielen kann, danach kommt nur noch Grinding und Farming für Kleinigkeiten. Ich hatte etwas weiter gespielt und dann 68 prismatische Kerne. Es gab noch einen Dungeon, in den ich mit 75 Kernen reinkommen würde und das Areal, was man eigentlich nur mit dem fehlenden Bot erreichen kann. Die wollte ich gerne noch sehen und ein paar Speedruns und damit verbundene Ausrüstungstruhen wollte ich noch versuchen. Jaja, ich mach noch ein paar Sachen... denkste. Das Kampfsystem hat mir so viel Laune gemacht und der Ehrgeiz hat mich dann doch noch gegriffen, als ich gesehen habe, dass es nicht mal so abwägig wäre, alle Achievements zu erreichen. Am Ende alles Bots voll aufgerüstet, alle Speedruns in allen Dungeons erfolgreich abgeschlossen und den Dungeon, den man eigentlich (noch) nicht betreten kann auch abgeschlossen. Und deshalb 82/80 Prismatischen Cores gesammelt.
Dafür aber nicht alle Achievements abgeschlossen, weil mich der (wohl eigentlich seltene) Tracker-Bug erwischt hat und deshalb bei mehreren Achievements nicht mehr weiter mitgezählt wurde. Laut Internet-Berichten sind die damit für mich nicht mehr schaffbar. Wäre mein erstes XBox-Spiel mit 100% geworden. Also selbst in den Achievements noch Bugs.
Sind zum Glück nur Achievements. Bleibt aber das traurige Wissen, dass das ganze hätte mehr sein können. Ich hoffe auf ein paar Patches und DLC und eine später fertige Version mit neuem Retail-Release.
Edit: Es gibt ein neues Update und die fehlerhaften Achievement-Tracker sind angeblich gefixt. Gerade mal das Spiel gestartet, gibt neue Texturen teilweise und meine Achievements haben sich aktualisiert. Es fehlen nur noch zwei... mal schauen, das werde ich wohl noch mal angehen